Antifaschistisches-antirassistisches Notruftelefon

Im Juli 1993 wurde das antifaschistische-antirassistische Notruftelefon im Saarland gegründet.

Vorausgegangen war die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, was den rassistischen Pogromen und Übergriffen der vorangegangenen Jahre staatlicherseits Erfolg bescheinigte.
Zitat des damaligen Innenministers Schäuble: "Man muß der Angst der Bürger vor Wohlstandsverlust gerecht werden".

Rassistische und faschistische Übergriffe riefen breite Emporung hervor. Spontane Mobilisierungen wie in der Anfangszeit der Pogrome, wie anläßlich des Mordes an Samuel Yeboah, des Brandanschlags in Mölln usw. führten zu unterschiedlichen Zusammenkünften, in denen über Gegenwehr und Solidarität mit den Angegriffenen diskutiert wurde. Antifaschistische Telefonketten wurden gegründet, Demonstrationen und Kundgebungen fanden statt, Besuche in Flüchtlingsunterkünften wurden durchgeführt.

Aus diesem ganzen Schwung fanden sich genügend Leute zusammen, um das Notruftelefon zu gründen. Der wesentliche Teil des Notruftelefons bestand darin, an den Wochenenden von freitags abends bis sonntags morgens in Schichten zu mehreren Leuten in Bereitschaft zu sein, wenn ein rassistischer/faschistischer Übergriff bekannt wird. Damit man davon auch Kenntnis erhielt, wurden breit Plakate, Flugblätter und Aufkleber in verschiedenen Sprachen verteilt, auf denen die Nummer des Notrufs angegeben war, und die über Sinn und Zweck informierten.

Die politischen Ziele und Kriterien des Notruftelefons waren:
- Aufbau von Selbstorganisierung zum Eingreifen gegen rassistische/faschistische Übergriffe
- Auflösung rassistischer/faschistischer Bedrohungssituationen gemeinsam mit Betroffenen
- Unterstützung antirassistischer/antifaschistischer Selbstorganisierung
- der staatlichen und gesellschaftlichen reaktionären Entwicklung etwas entgegensetzen
- unabhängige Organisierung jenseits von Institutionen/Parteien
- keine Zusammenarbeit mit der Polizei
- keine Distanzierung von Aktionen wegen Militanz
- regelmäßige Schichtbesetzung zur Gewährleistung zuverlässiger Präsenz an Wochenenden
- Ausweitung der Schichten auf die ganze Woche

Über gut zwei Jahre fand im Zusammenhang des Notruftelefons ein produktiver und lebendiger politischer Prozeß statt.
So gab es eine Beteiligung im Oktober 1993 an Gegenaktivitäten zum "Tag der Deutschen Einheit",
die Uraufführung des Filmes "Beruf Neonazi" beim Max-Ophüls-Festial in Saarbrücken Anfang 1994 konnte durch eine Blockade des Kinos verhindert werden,
im August 1994 wurde die SPD-Landesgeschäftsstelle besetzt, um eineKampagne gegen die Abschiebung eines kurdischen Flüchtlings zu unterstützen.

Gegen Mitte der 90er Jahre fand eine gewisse Normalisierung rassistischer/faschistischer Übergriffe statt, die Mobilisierungsbereitschaft ließ insgesamt nach. Die Entwicklung des Notruftelefons blieb davon nicht unberührt. 1995 wurde die Initiative aufgelöst.

Protestaktion gegen die drohende Abschiebung eines Kurden

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