Das Demonstrationsrecht am Gängelband der Weltwirtschaft |
Anfang Dezember wurde beim Ordnungsamt Saarbrücken eine Demonstration für die Freiheit Mumia Abu-Jamals angemeldet für den 8. Dezember 2001. Geplant war eine Abschlusskundgebung auf dem Gustav-Regler-Platz vor dem neuen Rathauscarré. Dafür sollte laut Auskunft des Ordnungsamtes die Genehmigung der "GMS" eingeholt werden, die Eigentümerin des Rathausplatzes ist. Bei einem telefonischen Anruf bei der GMS wurden folgende Konditionen mitgeteilt: für die Nutzung des Platzes 500,00 DM Miete, 2.000,00 DM sind als Kaution zu hinterlegen. Gleiches gilt für den Platz vor dem Rathaus. Wir wollten genauer wissen, was dahinter steckt, dass unseres Wissens nach öffentliche Plätze plötzlich in Hand von Unternehmen sind, die dafür auch noch Miete verlangen. GMS - im Internet fanden wir dafür "Gebäudemanagementbetrieb der Landeshauptstadt Saarbrücken". Der Gustav-Regler-Platz ist somit formal privatisiert, und seine Eigentümerin GMS hat, wie alle Privatunternehmen, das Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Dabei gelten privatrechtliche Bestimmungen, die der Gemeindeordnung übergeordnet sind. Dem Schutz des privaten Eigentums wird also Vorrang gegenüber dem Schutz kollektiver Bedürfnisse gegeben. Privatisierung - davon haben wir in den letzten Jahren oft gehört. Sei es im sogenannten Sicherheitsbereich, dass private Wachfirmen Polizeiaufgaben übernehmen; sei es in der Stromversorgung, dass private Anbieter auf den Markt drängen. Versorgung mit Wasser, Strom, Abfall- und Müllbeseitigung, öffentlicher Nahverkehr, Gesundheit... die sogenannte Daseinsvorsorge wird verstärkt nach dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung organisiert. Der marktwirtschaftliche Preis und die individuelle Zahlungsfähigkeit werden zum alleinigen Ordnungs- und Verteilungsinstrument. Hinter dieser Politik stecken Vereinbarungen, die im Rahmen internationaler Institutionen getroffen wurden. Schwingen wir uns also aus dem Mikrokosmos zum Makrokosmos der Weltwirtschaft empor, und landen ...im Dschungel der Abkürzungen internationaler Handelsverträge: NAFTA, GATT, WTO, TRIPS, GATS... Ihre Vielzahl, ihre Besonderheiten und ihre Verschachtelung miteinander sind nur nach längerem intensivem Studium zu entschlüsseln. Aber verstehen sollen wir das sowieso nicht, geschweige denn uns genauer mit ihren wahren Absichten beschäftigen. Deshalb treffen sich die daran beteiligten Staatsvertreter in der Regel hinter streng verschlossenen Türen, manchmal sogar ganz geheim. So zum Beispiel die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), um ein "Multilaterales Abkommen über Investitionen", das sogenannte MAI, zu beschließen. Seit 1995 wurde das Abkommen in Geheimverhandlungen entwickelt. 1997 wurde ein Exemplar des Vertragsentwurfs an die Öffentlichkeit gebracht und von kritischen Bürger/innen ins Internet gesetzt. Hier nur ein paar wesentliche Punkte: - Regierungen
müssen ihr Recht aufgeben, kleine oder mittlere Betriebe oder wirtschaftlich
schwache Regionen vor der Konkurrenz gigantischer internationaler Konzerne
zu schützen. Das MAI ist zwar gescheitert, zahlreiche Provinzen, Stadt- und Gemeinderäte weltweit erklärten sich zu "MAI-freien Zonen". Aber die Marschrichtung ist trotzdem vorgegeben, und die Vorhaben werden in den anderen Institutionen versucht Stück für Stück durchzusetzen. Im Kern geht es darum, alle sogenannten Wirtschaftshemmnisse für die transnationalen Konzerne zu beseitigen, die die Kontrolle über die Grundlagen allen Lebens in ihre Hand bekommen wollen. Sie beanspruchen, Wasser im Weltmaßstab vermarkten zu können. Sie sichern sich Eigentumsrechte an Saatgut. Und nicht zuletzt den Zugriff auf, und die Vermarktung von menschlichen genetischen Informationen. Eine Kursiosität stellt der Verkauf der Gen-Ressourcen der gesamten Bevölkerung Islands an die Firma DeCodes Genetics dar. 1998 hat das isländische Parlament mehrheitlich beschlossen, dass die isländische Firma DeCode Genetics in Kooperation mit dem multinationalen Pharmagiganten Hoffmann-La Roche ganz offiziell für 12 Jahre das Monopol an Aufbau und Ausbeute der isländischen Gendatenbank besitzt. In diesem Zeitraum darf DeCode als Lizenzhalter die gesammelten Daten kommerziell nutzen. Proteste haben lediglich dazu geführt, dass nur Daten von Personen verwendet werden dürfen, die nicht ausdrücklich schriftlich widersprochen haben. Gefragt werden sie allerdings nicht. Im Verhältnis Nord-Süd bedeutet die neoliberale Politik eine weitere Verschärfung des Wohlstands- und Machtgefälles. Die Konzerne der reichen Länder hätten noch direkteren Zugang zu allen Eigentumswerten und Einfluß auf alle Regierungsentscheidungen in Bezug auf öffentliche Aufträge und Beschaffung. Und, für wen die Handelsvereinbarungen wie einzuhalten sind, darüber entscheidet letztlich auch, wer die meiste Macht hat: Im TRIPS (Handelsabkommen über Rechte an geistigem Eigentum) ist geregelt, dass Patentrechte auf Produkte international anerkannt werden müssen. Diese Regelung war Grundlage für einen Prozeß gegen Südafrika, das lebensrettende und -verlängernde Medikamente gegen AIDS aus nachgeahmter, und damit billigerer Produktion importieren wollte. Zu den Klägern gehören Merck, Roche, Bayer und Schering. Seit 1998 bemühte sich die südafrikanische Regierung, ihre medizinischen Möglichkeiten zur AIDS-Bekämpfung zu verbessern. Nur internationaler Protest hat dafür gesorgt, dass die Pharmaindustrie sich 2001 zu Preissenkungen bereit erklärte. In diesen drei Jahren sind 400.000 Menschen an AIDS gestorben. Die Klage gegen Südafrika geht weiter. Schauplatz USA: Trittbrettfahrer des 11. September, möglicherweise aus rechten, paramilitärischen Kreisen, auf jeden Fall mit Zugang zu militärischen Forschungseinrichtungen, verschicken Briefe mit Anthrax, einem in US-Labors gezüchteten Milzbrand-Erreger, der bei Ansteckung schnell zum Tode führen kann. Das wirksamste Medikament, Ciprobay, ist ein Patent der Firma Bayer. Drei Tote hat es gegeben, da setzt der US-Gesundheitsminister der Firma Bayer die Daumenschrauben an: Entweder werden die Preise für Ciprobay gesenkt, oder man kauft billigere Nachahmerprodukte bei der Konkurrenz. Von einer Klage der Firma Bayer gegen das US-Gesundheitsministerium ist bisher nichts bekannt. Der weltweite Einfluß der Großkonzerne wird auch über das erweitert, was sich als "Privatisierung von Gewalt" zusammenfassen lässt. Was in den Metropolen bisher als private Wachdienste, Privatknäste und "Sicherheitsunternehmen" bekannt ist, metastasiert im Süden als Söldnerheere, nicht selten unter Leitung und Bezahlung US-amerikanischer, südafrikanischer, russischer oder israelischer Privatfirmen. Die Angebotspalette reicht von militärischen Operationen über Beratung, Beschaffung, logistische Unterstützung bis zum Schutz von Personen und Eigentum. Chefs sind in der Regel hochgediente Militärs, ehemalige Geheimdienstagenten, Verteidigungsminister... Die Planung des kroatischen Feldzuges zur Rückeroberung der serbischen Krajina 1995, verdeckte Operationen in der "Dritten Welt", Bewachung von Ölförderungsanlagen in Angola, Ausbildung der Armee Saudi-Arabiens sind ein kleiner Auszug des Repertoires dieser Kriegsindustriellen, die keiner Regierung verpflichtet sind und unter keiner öffentlichen Kontrolle stehen. Zoomen wir unsere Sicht noch auf europäische Ebene, bevor wir die Sicht von dieser Seite der Entwicklung beenden: Laut der Zeitschrift "Financial Times" entwarf die EU auf ihrem Sondergipfel 2000 in Lissabon einen "Unternehmensplan für die Aktiengesellschaft Europa". Der Marktwirtschaft wird in allen Bereichen der Vorrang eingeräumt. In den Maastrichter-Verträgen wurde die Liberalisierung von Investitionen vorbereitet: nämlich freie Investitionsentscheidungen ohne "lästige" Umweltauflagen, Beschäftigungsauflagen etc. Ebenso die Gleichstellung von privaten und öffentlichen Betrieben. D.h., jede Subvention, die einem öffentlichen Betrieb gewährt wird, muß auch einem privaten Betrieb, und sei es ein Großkonzern, gewährt werden. Da sich das keine Kommune leisten kann, sind hiermit weitere Grundlagen für die Privatisierung öffentlicher Betriebe und Bereiche geschaffen. Wenden wir uns nun der anderen Seite zu. Mit Massenprotesten, phantasievollen Aktionen, Veranstaltungen... trat eine Bewegung auf den Plan, die seither mit ihren Aktivitäten unter anderem in Seattle, Göteborg, Genua und New York weltweit von sich reden macht. Die sogenannte Antiglobalisierungsbewegung. In ihrer heterogenen Zusammensetzung - von Gewerkschaften, kirchlichen Kreisen über "Dritte-Welt"-Solidarität bis zur militanten Linken - ist ihr doch eines gemeinsam: die Kritik richtet sich gegen den Ausverkauf der Erde an multinationale Konzerne, die verschärfte Unterordnung der Lebensbedingungen unter Profitinteressen in globalem Ausmaß; wobei Letzteres heißt, dass die Auswirkungen zwar überall negativ sind, aber sich im Süden der Erdkugel die meisten Verlierer dieser Entwicklung befinden. Die Forderungen reichen von Einführung einer sogenannten Tobin-Steuer bis zur Zerschlagung der supranationalen Wirtschaftsinstitutionen samt ihrer Handelsverträge. Diskutiert und organisiert wird in internationalen Netzwerken, wie z.B. Attac, oder in regionalen Zusammenhängen, wie dem Genua social forum oder dem BUKO. Unser Blick sollte sich aber nicht nur auf die Proteste richten, die durch ihre geographische Nähe auch in der Presse mehr Aufmerksamkeit erregen. In Indien z.B. kämpfen Reisbauern darum, dass ihr in jahrhundertelangem Anbau entwickelter Basmati-Reis nicht unter die Räder der Globalisierung kommt: Die Firma RiceTec aus Texas versucht sich über gentechnische Veränderungen von Saatgut das Patent und damit das Monopol auf Basmati-Reis zu sichern. Der Beispiele gibt es unzählige. Und, wie der Begriff Globalisierung schon sagt, keine Region, kein Land, keine Stadt bleibt verschont. |
KEINE GLOBALISIERUNG UNTER DEM DIKTAT DER MULITIS!
FÜR DIE GLOBALISIERUNG DES WIDERSTANDS!
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