NEIN ZUM KRIEG GEGEN DEN IRAK!

11,5 Millionen Menschen weltweit - so die offiziellen Zahlen - haben am 15. Februar an den Demonstrationen gegen den bevorstehenden Irak-Krieg teilgenommen.
An dieser eindeutigen Botschaft kommt keine Regierung vorbei.

Die Einigkeit in der Ablehnung eines imperialistischen Angriffskrieges in der Bevölkerung war lange nicht mehr so groß.
Und die Linke? Durch sie führt ein tiefer Riss, der sich ideologisch an Antiamerikanismus, Antisemitismus und nationalem Konsens aufgehängt hat. Parolen, Forderungen, Redebeiträge werden zum Beweis angeführt, die politisch-moralische Integrität der gesamten Friedensbewegung in Frage zu stellen.
Dabei findet etwas statt, was sich an allen größeren Kriegen vollzog: Die Spaltung der Linken in Befürworter/innen und Gegner/innen. Das war so beim 1. Irakkrieg, im Krieg gegen Jugoslawien, gegen Afghanistan und in Israel/Palästina.

Ja oder nein zu imperialistischem Krieg, das ist die Gretchenfrage an Linke, wie ihr Verhältnis zur Macht der Metropolen, zur Herrschaft im eigenen Land aussieht. Imperialistische Kriege sind immer Teil globaler Machtabsicherung und kapitalistischer Durchdringung allen Lebens - jenseits jeder Propaganda von Demokratie und Menschenrechten.

Der Krieg gegen den Irak ist Teil einer mit dem 11. September gestarteten Offensive zur Klärung der weltweiten Machtverhältnisse.

Der ehemalige Außenminister der USA, Henry Kissinger, formulierte das so: "Im Krieg gegen den Terrorismus geht es nicht nur darum, Terroristen dingfest zu machen. Vor allem bietet sich die Gelegenheit, die Weltbühne neu zu besetzen."
Es geht darum, die auf die kapitalistische Globalisierung folgenden sozialen Brüchigkeiten vor allem im Süden zu kontrollieren, einzudämmen und den Verlauf von Revolten und Verteilungskämpfen im Interesse westlicher Politik zu beeinflussen. Krieg ist zum Mittel weltweiter Sozialpolitik geworden.
Mit dem irakischen Regime soll konkret ein unkalkulierbarer Faktor in einer insgesamt sozial und politisch instabilen Region hinweggefegt werden, die zudem reich an Erdöl ist. Den Zugriff darauf langfristig zu gewährleisten ist die Grundlage der "vitalen" westlichen Interessen.

Kapitalistische Globalisierung und imperialistischer Krieg, das sind zwei Seiten einer Medaille. Und im Leugnen bzw. Nichterkennen dieses Zusammenhangs treffen sich die Befürworter/innen eines Krieges gegen den Irak mit den Teilen der Friedensbewegung, die der rot-grünen Politik applaudieren. Letztlich streitet man sich dann nämlich nur noch darüber, mit welchen Mitteln ein Land unter die Fuchtel zu bekommen ist: Blutiger Krieg, oder Imperialismus light.

Linke wie Friedensbewegung werden wie Blätter im Wind der Ereignisse treiben, wenn sie die Vorherrschaft des Nordens über den Süden als Hintergrund des Irak-Krieges ausblenden und nicht verstehen, dass der zwischen Frankreich und Deutschland auf der einen Seite und USA und Großbritannien auf der anderen Seite existierende Konflikt keine grundsätzliche Interessensdifferenz ist, sondern das Gerangel um die besseren Startplätze bei der Neuordnung der Machtverhältnisse in der Region.

Der türkische Schriftsteller Orhan Parmuk dazu in einem Interview mit der FAZ, 15.3.03:
"Europäer und Amerikaner sind sich bewusst, dass sie die Idee und die Stärke dessen ausmachen, was der Rest der Welt voller Abneigung ‚den Westen' nennt. Es wird ihnen bewusst werden, dass sie, im Vergleich zur restlichen Bevölkerung der Welt, nur eine kleine Minderheit darstellen. Europäer und Amerikaner wissen, dass sie auf Dauer im selben Boot sitzen. Ihre Interessenkonflikte sind deshalb weniger wichtig als die Tatsache, dass beide ihre Idee des Westens glorifizieren und dass sie den allergrößten Teil der Reichtümer der Welt genießen und konsumieren. Reiche Männer verstehen einander. Wenn sie es für nötig halten, werden sie auch darin übereinstimmen, ein weiteres Mal Hunderttausende zu bombardieren und zu töten."

Deutschland ist mit über 10.000 Soldaten im weltweiten Einsatz Kriegspartei

Die Bundeswehr hat derzeit 60.000 Soldaten für Auslandseinsätze verplant. Davon befinden sich etwa 4.680 im Kosovo, 2.500 in Afghanistan, 1.800 am Horn von Afrika, 1.680 in Bosnien-Herzegowina, 590 in Mazedonien 800 in Kuwait. Deutsche Soldaten haben sich gemeinsam mit US-Soldaten in Tora Bora von Höhle zu Höhle gekämpft, um die Feinde buchstäblich auszuräuchern. Keine Öffentlichkeit wird darüber informiert, was das KSK eigentlich in Afghanistan macht, wie viel Blut die Soldaten schon an den Händen haben.

Verteidigungsminister Struck (O-Ton, 22.2.03 in der Tagesschau: "Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt."), will den Umbau der Bundeswehr zu einer für weltweite Kriseneinsätze gewappneten Armee forcieren, damit sie künftig "Krisenbewältigung an jeder Stelle der Erde" betreiben kann.

Was macht die Einigkeit gegen den Krieg aus?

Was bewegt Menschen, die nie zuvor auf einer Demonstration waren, sich plötzlich massenhaft gegen den Irak-Krieg zu verhalten? Überdruss am Thema, das Ausbleiben versprochener Erfolge im Afghanistan-Krieg, eine hitzigere und damit präsentere öffentliche Debatte angesichts innerimperialistischer Widersprüche? Viele Faktoren werden eine Rolle spielen, wirken zusammen. So gibt es keinen nachvollziehbaren Kriegsgrund. Das Schlimmste, was dem Baath-Regime vorgeworfen wird, fand bereits vor Jahren und Jahrzehnten statt, von vorne herein war der Öffentlichkeit klar: Es geht um einen Präventivkrieg. Und, nicht zuletzt, nach den Erfahrungen der letzten Kriege gibt es die Erwartung, dass neue Steuererhöhungen ins Haus stehen um die Kriegskosten zu finanzieren. Der Krieg wird also unmittelbar wirtschaftliche Nachteile bringen. Das motiviert. Die Haltung der Bundesregierung macht das Thema für die Presse interessanter, Fakten, Widersprüche, Peinlichkeiten kommen per Massenmedien in jedem Wohnzimmer an.

Für die Kurd/innen ist die Wahl zwischen NATO-Intervention und Baath-Regime die zwischen Pest und Cholera

Wessen Interesse in dieser ganzen Auseinandersetzung fast nicht auftaucht, sind die Kurden und Kurdinnen. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre waren es bestenfalls eine Handvoll deutscher Linker, die gemeinsam mit Kurd/innen durch Mahnwachen und Redebeiträge auf Antikriegsdemonstrationen der Opfer des irakischen Giftgasangriffs auf Halabja gedachten, der mit deutscher Technologie und US-amerikanischem Stillschweigen ermöglicht wurde. Heute werden diese Opfer mit zur Begründung des Krieges gegen den Irak herangezogen.
Die kurdischen Organisationen aus dem Nordirak sind mit unterschiedlichen und wechselnden Stimmen zu vernehmen. Vergessen ist nicht, dass ihrer und der Aufstand der Schiiten im Südirak gegen das Baath-Regime 1991 durch die USA abgewürgt wurde, um einen Sturz Saddam Husseins zu verhindern.
Mit großer Skepsis werden auch die türkischen Begehrlichkeiten auf eine Statthalterposition im Nordirak vernommen als Gegenleistung der Kriegsunterstützung.
Die internationale Aufwertung der Türkei in Folge einiger Reformen und ihrer zeitweise tragenden Rolle im Afghanistan-Krieg ermuntert die türkische Regierung, gegen die kurdische Opposition durchzustarten. Im Nordirak sind nicht nur die Erdölquellen von Kirkuk und Mossul von Interesse, im Nordirak befinden sich auch Kämpfer/innen der kurdischen Befreiungsbewegung, derer bereits 100.000 türkische Soldaten harren. Während man den Vorsitzenden der KADEK, Abdullah Öcalan, in Totalisolation und ohne Anwaltskontakte zu zermürben versucht, könnte man gleich noch als politisch anerkannte Ordnungsmacht den Nordirak von renitenten Kurd/innen säubern.
Die KADEK (Kongreß für Freiheit und Demokratie Kurdistans), die Nachfolgeorganisation der PKK, hat indessen auf die veränderte Situation in der Region reagiert. Seit Mitte Februar wird neben der demokratischen Serhildan-Bewegung ein Selbstverteidungskrieg geführt.

Nein zum Krieg gegen den Irak!
Aber unser Nein zum Krieg ist kein Ja zu Rot-Grün, deutschnationalen Interessen und Kapitalismus!

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