Redebeitrag von Libertad! Saar auf der Friedensdemo am 10. März 2003 |
Liebe Freundinnen und Freunde, Erneut steht die Welt vor einem großen Krieg unter Führung der USA und Grossbritanniens. Die Gründe für diesen Krieg liegen weder in den nach wie vor vermuteten irakischen Massenvernichtungswaffen, noch in angeblichen oder tatsächlich vorhandenen Beziehungen des Irak zu Al Qaida und ähnlichen Gruppen. Die Entscheidung für diesen Krieg geht direkt zurück auf den 11. September 2001, und den auf allen Ebenen gestarteten "Krieg gegen den Terrorismus". Los ging es mit Afghanistan, und schon damals war klar: Das war erst der Anfang. Davon sprach die US-Regierung ganz offen. Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister, formulierte das so: "Im Krieg gegen den Terrorismus geht es nicht nur darum, Terroristen dingfest zu machen. Vor allem bietet sich die Gelegenheit, die Weltbühne neu zu besetzen". Die jetzt mit dem Krieg gegen den Irak fortgesetzte militärische Offensive ist ein weiterer Schritt zur scheinbaren Stabilisierung einer zerbrechenden Weltordnung. Immer wieder für Unruhe innerhalb der imperialen Sicherheitsarchitektur sorgt der so genannte Nahe und Mittlere Osten. Von Afghanistan bis nach Israel/Palästina: die sozialen und politischen Widersprüche sind hier besonders explosiv aufgeladen. Und auch ohne die jetzt geplante US-Intervention war und ist die Lage im Irak alles andere als friedlich: Saddam Husseins Regime ist verantwortlich für das Ausschalten der gesamten linken Opposition, darunter 10.000 ermordeter Kommunistinnen und Kommunisten. Und das Regime ist verantwortlich für Hunderttausende Tote unter der eigenen kurdischen und schiitischen Bevölkerung. Das passierte damals alles unter dem Schutz und der Duldung der USA, Frankreichs und auch Deutschlands. Damals zur Zeit des Kalten Kriegs war Saddam Hussein ein wichtiger Bündnispartner für den Westen. Heute liegt sein Regime quer zur US-Strategie. Es ist klar und wir können es auch gar nicht anders sagen: Das Baath-Regime muss weg. Aber das, und das möchten wir hier ausdrücklich betonen, kann nur die Sache der irakischen Bevölkerung selbst sein. Der Versuch der USA und anderer westlicher Staaten, eine neue Ordnung militärisch von Außen durchzusetzen, muss als das angegriffen werden was es ist: Eine neue Form von Kolonialismus unter der Fahne von Marktwirtschaft, Demokratie und Menschenrechten. Die Welt ist nach dem Ende des Kalten Kriegs weder ruhiger noch friedlicher geworden. Schon längst findet, weit unter der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle gelegen, ein Krieg statt, der die vom Westen gewünschte Ordnung bedroht. Regionale Unruheherde, wie die in der Globalisierung zerfallenden afrikanischen Staaten oder oppositionelle Nationen, will der Westen nicht mehr tolerieren. Das Wall Street Journal schrieb dazu: "Die USA und ihre Verbündeten werden antiwestliche Staaten nicht nur besetzen, sondern verwalten müssen. Dazu gehören eventuell nicht nur Afghanistan, sondern der Irak, Sudan, Libyen, Iran und Syrien." Aber nicht nur
sogenannte Schurkenstaaten und islamische Gotteskrieger sind seit dem
11. September verstärkt im Visier westlicher Geheimdienste und Militärs.
In seiner Rede vor dem Kongress kurz nach dem 11. September sagte Bush:
"Unser Krieg wird erst zu Ende sein, wenn jede weltweit operierende
terroristische Gruppe aufgespürt, gestoppt und vernichtet sein wird." Deutschland steht in dieser Phase eines langen -mal offen, mal verdeckt geführten - Krieges keineswegs im Abseits, auch wenn es momentan so aussieht. Bundeswehreinheiten sind Teil des internationalen Krisenmanagements in Bosnien, im Kosovo, in Mazedonien, vor der Küste Somalias, in Kuwait und nicht zuletzt in Afghanistan. Kriegsminister Struck hat es vor kurzem deutlich gesagt: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt." Und deswegen wird die Bundeswehr seit Jahren zu einer offensiven Interventionsarmee umgerüstet. Brachte der Krieg gegen Jugoslawien den Durchbruch Deutschlands zur politischen Führungsmacht in Europa, so setzte der Krieg gegen Afghanistan diesen Anspruch weltweit auf die Tagesordnung. Es ist kein Widerspruch dazu, wenn die Bundesregierung im Falle des Iraks ihre nationalen Interessen betont und sich auf der politisch-diplomatischen Ebene gegen die USA stellt. Das hört sich dann manchmal nach Friedenspolitik an. Doch das Verhältnis dieser Regierung zum Frieden ist rein taktisch bestimmt. Dahinter stecken klare politische Interessen und nicht zuletzt immer noch gute Geschäftsbeziehungen zum Irak. Die weltweite Entwicklung ist geprägt von einer tiefgehenden Krise. Und auch ohne den großen Krieg wie jetzt gegen den Irak oder vorher gegen Afghanistan, zwingt die Politik des Westens umgesetzt von Institutionen wie IWF, Weltbank oder WTO immer mehr Menschen eine katastrophale Lebensperspektive auf. Die Mehrheit der Menschen steht im Abseits und ist unter Umständen zum Abschuss freigegeben. Es ist aber weder Schicksal noch naturbedingt, wenn Menschen verhungern, an heilbaren Krankheiten sterben, auf der Straße leben oder im Müll hausen müssen. Und wenn im Kontext des Krieges gegen den Terror sehr viel von Sicherheit die Rede ist, dann wird klar, dass der Westen für sich eine Sicherheit beansprucht, die im globalen Zusammenhang gar nicht existier und mehr noch, vor allem den Menschen im Süden verweigert wird. Kapitalistische Globalisierung und die neuen Formen imperialer Kriegsführung sind zwei Seiten einer Medaille. Es ist eine Dynamik der Zerstörung von Lebensbedingungen und dem Vorantreiben gesellschaftlichen Zerfalls. Die systembedingten Widersprüche werden weiter verschärft, ohne Lösung, ja nicht mal mit Aussicht auf Befriedung der Situation. An dieser Stelle möchten wir auf die Situation der Kurdinnen und Kurden aufmerksam machen. Ihnen scheint in der aktuellen Auseinandersetzung wieder einmal die Rolle der Verlierer zugewiesen: Sei es durch die Weiterexistenz des Baath-Regimes, sei es durch eine militärische Intervention. Vergessen wir nicht: der Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabja 1988, bei dem mehr als 5.000 Menschen ermordet wurden, fand mit deutschem Know How und US-amerikanischem Stillschweigen statt. Die Aufstände der Kurden und Schiiten 1991 wurden durch US-Militärs abgewürgt, um den drohenden Sturz Saddam Husseins zu verhindern. Und zur Zeit stehen 60.000 türkische Soldaten an der Grenze - 10.000 sind schon im Nordirak - , um im Gefolge des US-Krieges die Verhältnisse in der Region für sich zu klären: Konkret die Zerschlagung der kurdischen Demokratie- und Freiheitsbewegung KADEK. Ihr gilt unsere besondere Solidarität. Liebe Freundinnen und Freunde, als am 15. Februar mehr als 15 Millionen Menschen überall auf der Welt gegen den drohenden Irak-Krieg auf die Straße gingen, war das ein deutliches Zeichen. Und nach wie vor gilt: Das Unbehagen an diesem Krieg wächst, und die Zahl der Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner nimmt weltweit zu. Gut so! Keine westliche Regierung kann an dieser Tatsache einfach so vorbei gehen. Und doch zeichnet sich ab, dass es zu diesem Krieg kommen wird. Das sagt etwas aus über die wirklichen Macht- und Kräfteverhältnisse in der Welt. Und es sagt etwas darüber aus, welche Anstrengungen noch vor uns liegen. Deshalb: Arbeiten wir daran, dass sich die Bewegung gegen den imperialen Krieg weiterhin international ausdehnt; dass sie sich mit der Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung verbindet wie z.B. in Italien, wo Gewerkschaften, Globalisierungsgegner und Kriegsgegnerinnen im Falle des Ausbruchs des Krieges an einem Generalstreik überlegen; und arbeiten wir daran, dass die Antikriegsbewegung unabhängig von staatlichem Einfluss wird - dass sie sich hier im Land nicht vor den Karren der Bundesregierung spannen lässt, sozusagen für eine deutsche Art der Außenpolitik. Die Menschheit könnte in dieser Welt sehr viel bewegen; sie besser und gerechter machen. Und das ist keine banale, abgeschmackte Utopie. Die Ressourcen, die technischen Möglichkeiten, die sozialen Erfahrungen und das historische Wissen sind sehr wohl dafür vorhanden. Die Frage von Krieg und Frieden ist letztendlich die Frage nach der Verfügungsgewalt über das eigene wie das gesellschaftliche Leben. In diesem Sinne: |