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Alte Feuerwache
Am Landwehrplatz 2
66111 Saarbrücken

 

Redebeitrag Demonstration am 12. August 1995 zu Mumia Abu-Jamal

An der internationalen Kampagne 'Für das Leben und die Freiheit Mumia Abu-Jamals wird einiges an politischen Inhalten und realer Bewegung linker Opposition in den Metropolen erkennbar.

So unterschiedlich die politische Zusammensetzung und subjektiven Motivationen der Kampagne auch sein mögen - ihre Hauptströmung jedenfalls zielt auf Unschuld, ist auf Mumia Abu-Jamal konzentriert, und fordert im Wesentlichen bürgerlich-demokratische Legitimität ein, Stichwort: "Faires Verfahren",

Das Problem dabei ist weniger, daß die Kampagne ist, wie sie ist - sondem, daß es darüber hinaus praktisch wenig bis gar keine emanzipatorische und systemsprengende Orientierung gibt .

Und das schon seit Jahren.

In unmittelbarer Wechselwirkung dazu scheint weltweit der reaktionäre Durchmarsch unaufhaltsam zu sein. Unter dem Diktat der imperialistischen Staaten schreitet der ökonomische und soziale Zerfall ganzer Länder und Kontinente voran. Es gab noch nie so viele Kriege wie heute. Kriege, die ihre Wurzel in 5OO-jähriger kolonialer Ausbeutung und Unterdrückung genauso haben, wie in der mit aller Macht betriebenen Absicherung der imperialistischen Weltordnung.

Für die übergroße Mehrzahl der Menschen heißt das: Verrecken, Hunger, Krankheit und bitterste Armut.

Und das soll das Ende der Geschichte sein?

Sicher, weltweit sind die Kräfte der Befreiung in der Defensive. Nicht nur das. In Deutschland befinden sich weite Teile der radikalen Linken in einem Prozeß des Zerfalls und der Zersetzung. Weit davon entfemt eine relevante gesellschaftspolitische Kraft zu sein, die in der Lage wäre die Verwirklichung sozialer Emanzipation und menschenwürdiger Lebensbedingungen im globalen Zusammenhang auf die Tagesordnung zu setzen.

Gekämpft wird überall. In Kurdistan wie in Mexico. In den imperialistischen Kerkern wie in den Slums von Istanbul oder Montevideo. Auch hier bei uns gibt es fast täglich gesellschaftlichen Widerstand.

Doch abgesehen vom kurdischen Befreiungskampf, dem es auch intemational gelingt - insbesondere in der BRD - politische Relevanz zu entwickeln, sind die Kämpfe hier doch sehr gefangen im tagespolitischen 'Reagieren müssen'. Es sind Abwehrkämpfe gegen die unmittelbaren Auswirkungen der reaktionären Entwicklung,
So notwendig Abwehrkämpfe sind - und sie werden in den nächsten Jahren international noch zunehmen - strategisch betrachtet sind sie ein Weg der Niederlagen, ein sich Verbrauchen unter dem Druck der Verhältnisse,

Eine weitergehende emanzipatorische Perspektive allerdings braucht mehr - theoretisch und praktisch.

In gewisser Weise steht Mumia Abu-Jamal heute stellvertretend für zehntausende von Genossen und Genossinnen überall auf der Welt , deren Namen wir in der Regel nicht kennen, noch ihre persönliche Geschichte. Und die dennoch wie er Teil eines weltweiten Aufbruchs waren - ausgehend von den 6Oer Jahren - die Vision internationaler Befreiung in die Tat umzusetzen.

Schon sehr früh, mit 16 Jahren, organisierte sich Mumia in der Black Panther Party , einer militanten afroamerikanischen linken Organisation. Während es einerseits um den Aufbau der bewaffneten Selbstverteidigung ging, engagierten sich die Aktivisten und Aktivistinnen parallel dazu in selbstorganisierten sozialen Projekten, die integraler Bestandteil im Aufbau ihres revolutionären Projektes waren.

Auf die Armut und soziale Verelendung der schwarzen Communities brauchte es organisierte Antworten wie z.B. das freie Frühstücksprogramm oder die Gesundheitsversorgung.

Von Anfang an war der politisch-militante Aufbauprozeß der Black Panther Party mit einem von FBI und CIA entwickelten und gesteuerten Aufstandsbekämpfungs-Programm konfrontiert . Das staatliche Ziel war klar: Das sich organisierende Potential der Befreiung zu zerstören, und die damit verbundene reale Perspektive der Emanzipation auszulöschen.

Ein schmutziger Krieg, der mittels Spitzelunterwanderung, Einspannen des faschistischen Ku-Klux-Klans, mittels Klassenjustiz genauso geführt wurde, wie mittels einer rigorosen extralegalen Hinrichtungswelle gegen die Kader der Partei. Allein im Jahre 1969 wurden 33 Mitglieder der Black Panther von der Polizei erschossen.

Geronimo ji Jaga Pratt, ehemaliger Verteidigungsminister der Black Panther, und seit 1969 inhaftiert, sagte dazu: 'Als die Black Panther Party vom Staat zerschlagen wurde, war klar, daß die Vorbilder für die jüngere Generation die Drogendealer und Zuhälter sein würden. ..Die Jugendlichen (wurden) dem System ausgeliefert.'

Heute müssen wir davon ausgehen, daß noch für längere Zeit überall auf der Welt die Konterrevolution gesiegt hat. Und sie hat zu siegen nicht aufgehört.

Die weiterhin beabsichtigte Hinrichtung Mumia Abu-Jamals entspringt dieser Dynamik, gespeist von der tiefen Erfahrung der imperialistischen Bourgeoisie, die weder die Oktoberrevolution, noch den Sieg des vietnamesischen Volkes vor 20 Jahren, noch die revolutionären Aufbrüche in den Metropolen selbst vergessen hat.

Neben triumphalem Endsiegrausch und dem Bedürfnis nach grenzenloser Rache, bleibt sicherlich das Entscheidende: Ihre tiefsitzende Furcht, daß die historischen Erfahrungen des intemationalen Befreiungskampfes sich in einem neuen Aufbruch der unterdrückten und ausgebeuteten Massen positiv aufheben werden. Und ihr gespenstisches und historisch vollkommen überholtes System erneut und in der Perspektive endgültig in Frage gestellt wird.

Freiheit für Mumia Abu-Jamal und alle politischen Gefangenen weltweit!

Für Selbstorganisierung und die kollektive Aneignung des Lebens und der Würde.

Solidarität heißt Widerstand. Solidarität heißt zusammen kämpfen.


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